Freiheit der Meinung Freiheit der Religion -
21. Mrz 2006
PRESSEMITTEILUNG
Freiheit der Meinung Freiheit der Religion
Bonn, 21. März 2006
"Die dringliche Aufgabe ist heute nicht, die angeblich bedrohte Meinungsfreiheit zu schützen oder durchzusetzen. Viel wichtiger ist es, der an den Rand gedrängten und desavouierten Religion wieder zu Würde und Freiheit zu verhelfen." So heißt es in einer Stellungnahme, die die Trägerverbände der Initiative "Christlich-islamische Friedensarbeit in Deutschland" anlässlich des UN-Tags gegen Rassismus am 21. März zu den aktuellen Spannungen zwischen der "westlichen" und der "islamischen" Welt veröffentlichten. Das sei aber weniger eine Sache der Gesetzgebung als des Diskurses über das Menschenbild und Selbstverständnis unserer Gesellschaft. Es gehöre zur Kultur einer Gesellschaft, immer wieder eine Balance herzustellen, in der beide Aspekte menschlicher Freiheit, der Meinung und der Religion, zum Zuge kommen.
In der Stellungnahme weisen die christlichen und muslimischen Träger der Initiative auf einige Hintergründe des aktuellen Konflikts hin. So widersprechen sie vehement der weit verbreiteten Meinung, Religion sei ein modernisierungsfeindliches Relikt der Sozial- und Kulturgeschichte. Auch wenn zahllose Menschen ohne Bezug auf eine religiöse Bindung leben, ändere das nichts daran, dass Religion für andere ihre Identität, ihren innersten Wesenskern ausmacht. Es gehe in der Auseinandersetzung heute deshalb nicht bloß um "religiöse Gefühle", sondern um die Humanität und Würde von Menschen, also um den elementaren Kernbestand der Menschenrechte.
Umgekehrt freilich gelte es, mit gleicher Entschiedenheit dem religiösen Fanatismus entgegenzutreten, wo er seine Grenzen überschreitet und das hohe Grundrecht der persönlichen Gewissensfreiheit in Frage stellt oder mit Gewalt verletzt, wie das in manchen ideologisierten Formen des Islam (wie übrigens auch des Christentums) heute der Fall ist.
Was den akuten Gewaltausbruch angehe, so müsse der Westen endlich ernst nehmen, "dass die Verletzungen und Demütigungsgefühle der Kolonialzeit in der islamischen Welt nach wie vor lebendig und gegenwärtig sind". Sowohl die wirtschaftliche Dominanz wie auch die politische Unterstützung autokratischer Systeme zeigten den Westen "nicht als Botschafter der Moderne, sondern nach wie vor als Hegemonialmacht". Das Unvermögen, an der Chancengleichheit und Freiheit des Westens zu partizipieren, schaffe ein Gefühl von Minderwertigkeit und zugleich Feindschaft. Zudem mache es der Westen den Regimen in der islamischen Welt ebenso wie den Kräften, die hinter einem islamisch gefärbten Terror stehen, leicht, solche Gefühle für ihre Interessen zu manipulieren. "Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen den Irak, Abu Ghraib, die Mauer in Palästina und ähnliche Erfahrungen diskreditieren den Anspruch einer auf Demokratie, Menschenrechte und Freiheit gerichteten Politik."
Die christlich-islamische Initiative ruft die Kirchen zur Wachsamkeit gegenüber einer Tendenz in der Politik auf, nach dem angeblichen Scheitern des multikulturellen Ansatzes so etwas wie eine "Leitkultur" zu formulieren und dafür ein "christliches Menschenbild" in Anspruch zu nehmen. Diese Art "Leitkultur" diene in erster Linie der Abgrenzung. So wirke auch die derzeitige Diskussion um Voraussetzungen und Praxis der Einbürgerung auf Muslime als "Botschaft der Ausgrenzung: wir wollen euch nicht!" Diese Botschaft wirke nicht nur auf potentielle Zuwanderer, sondern auf alle hier lebenden Muslime. Dem gegenüber sollten die Kirchen die positiven Signale von muslimischer Seite in der letzten Zeit ernst nehmen, eine "Kooperation in kritischer, gleichwohl solidarischer Partnerschaft" eingehen und "in der Öffentlichkeit offensiv vertreten".
Trägerorganisationen des im Jahr 2002 gegründeten Projekts "Christlich-islamische Friedensarbeit in Deutschland" sind:
- Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF),
- pax christi - Deutsche Sektion,
- Zentralrat der Muslime in Deutschland,
- Schura, Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg.